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Gleiche Verantwortung der Eltern auch nach der Trennung

Warum Doppelresidenz

Warum Doppelresidenz

18. April 2008 Newsletter abonnieren

Inhalt:
-Obsorge aus emotionaler Sicht
-Obsorge geschichtlich betrachtet
-Machtgefälle
-Gesellschaftspolitische Bewegungen
-Was wäre wenn …
-Es gibt Möglichkeiten diese Situation zu verändern
-Vorteile der Doppelresidenz

Obsorge aus emotionaler Sicht

Stellen Sie sich vor, Sie sind Mutter oder Vater eines Kindes. Sie haben sich seit der Geburt Ihres Kindes die Betreuungszeit mit dem anderen Elternteil geteilt. Sie waren im Karenzurlaub, haben die Arbeitszeit beim Wiedereinstieg um die Hälfte reduziert, um mehr Zeit fürs Kind zu haben. Sie holen das Kind zwei Mal die Woche vom Kindergarten ab und bringen es drei Mal dorthin. Ihr Kind freut sich, wenn Sie es von dort abholen und läuft Ihnen mit offenen Armen entgegen. Manchmal weint es, weil es nicht im Kindergarten bleiben will und streckt die kleinen Arme nach Ihnen aus und es bricht Ihnen das Herz, wenn Sie trotzdem weitergehen, weil Sie wissen dass Sie es dem Kind nicht leichter machen, wenn Sie nochmals umkehren. Sie sehen es mit anderen Kindern spielen, streiten, lachen. Bringen es abends ins Bett und müssen, bevor Sie selbst schlafen gehen immer noch einen Blick auf Ihr Kind werfen, weil es Ihnen einfach ein Bedürfnis ist. Sie verbringen die Wochenenden mit Kind und Partner gemeinsam. Fahren mit ihm auf Urlaub. Sie erfreuen sich an der kindlichen Entdeckungslust, den Lausbüberein und müssen ihm immer wieder mal ein Busserl draufdrücken, weil Ihnen einfach danach ist und Sie so ihre Liebe zu ihrem Kind spontan zum Ausdruck bringen wollen.

Sie sind nicht verheiratet. Die Obsorge liegt ausschließlich beim anderen Elternteil. Die Beziehung scheitert. Sie sind gezwungen, ein neues zu Hause für sich zu suchen. Das Kind bleibt beim anderen Elternteil, weil der es so will. Plötzlich bestimmt über den Umgang mit Ihrem Kind ausschließlich der andere Elternteil. Dieser sagt, dass Kontakte zu Ihrem Kind alle 14 Tage genügend sind, gibt Ihnen die Zeit vor, wann Sie es holen dürfen und wann Sie es zurückbringen müssen. Geht auf Wünsche von Ihnen überhaupt nicht ein. Rügt Sie, wenn Sie das Kind mit zerrissener Hose zurückbringen und droht Ihnen damit, die Besuchszeit zu verkürzen, oder sie überhaupt auszusetzen, nachdem Sie das Kind schon das zweite Mal mit einem Schnupfen zurückgebracht haben. Das Kind läuft Ihnen im Hort nicht mehr mit offenen Armen entgegen, sondern zeigt sich reserviert, abwartend und öffnet sich Ihnen erst nach einiger Zeit. Es weint öfters, wenn es wieder weg muss und versteht nicht, dass es nicht mehr Zeit mit Ihnen verbringen darf. Die Schultasche vom Hort mitzunehmen wird Ihnen verboten, weil einmal ein Papierflieger daraus gefehlt hat, den Ihr Kind in der Schule gebastelt hat und den es Ihnen voll Stolz zeigte, ihn aber dann leider bei Ihnen vergaß. Wollen Sie Ihr Kind zwischen den 14-tägigen Kontakten mal vom Hort abholen bedarf es der Erlaubnis des anderen Elternteils. Informationen bekommen Sie ohne Erlaubnis des anderen Elternteils weder von der Schule noch vom Hort. Der andere Elternteil verspricht Ihnen, dass Sie Ihr Kind jederzeit auch unter der Woche sehen dürfen, aber jedesmal wenn es soweit ist, hat er schon etwas vor mit dem Kind. Sie wissen, dass Ihr Kind mehr Kontakt zu Ihnen haben möchte, manchmal äußert es diesen Wunsch, meist spüren Sie ihn nur. Sie spüren den Impuls, das Kind auf Ihre Seite zu ziehen, es zu Ihren Verbündeten zu machen, tun es aber nicht, weil Sie wissen, dass es unter der Situation leidet und so nur noch mehr zwischen die Mühlsteine geraten würde. Nachdem ein neuer Lebenspartner in Ihr Leben getreten ist, bekommen Sie eine SMS. Sie werden informiert, dass das Kind nicht mehr zu Ihnen möchte und der andere Elternteil das Kind nicht zwingen wird. Längere Zeit sehen Sie Ihr Kind gar nicht mehr.

Schmerz, Ohnmacht und Wut bemächtigt sich Ihrer. Ihr Kind wurde Ihnen von einem Tag auf den anderen entzogen. Dort wo früher Beziehung gelebt wurde, ist nur noch das Gefühl von Verlust und Schmerz. Alle 14 Tage leben diese Gefühle nach der Trennung von Ihrem Kind neu auf. Immer wieder kommen Ihnen die Tränen, nachdem das Kind hinter der Tür verschwunden ist, oder einfach so, mitten unterm Tag, weil Sie irgendwas an Ihr Kind erinnert und die Kraft, Ihren Schmerz zu verdrängen nicht mehr ausreicht. Die Demütigung plötzlich selbst wie ein Kind behandelt zu werden, indem alles über Sie hinweg entschieden wird und Sie jeglicher Entscheidungskompetenz beraubt sind, frisst Sie langsam auf und macht Sie stumpf. Mit der Zeit verstumpfen auch Ihre Gefühle ihrem Kind gegenüber, was Sie, werden Sie sich dessen bewusst, neuerlich zutiefst verletzt und verunsichert. Sie verbergen Ihre Wut so gut es geht, denn Sie wissen, vor Gericht würde es gegen Sie verwendet werden.

Obsorge geschichtlich betrachtet

Diese absurde Situation ist gesellschaftlicher Konsens. In der Absicht dem Kind nach der Trennung eine möglichst konfliktfreie Situation zu ermöglichen wurde eine Rechtssituation geschaffen, die heute genau diese Konflikte heraufbeschwört. Die Obsorge primär an einer Person festzumachen hat geschichtlich betrachtet ihre Berechtigung. Bis 1989 mussten Mütter nach der Scheidung ihren „Ex“ um Unterschriften nachlaufen. Die Mütter, damals noch mehrheitlich nicht berufstätig, primär für die Erziehung der Kinder zuständig, war in einer entwürdigenden Situation. Die ganze Verantwortung der Kindererziehung lastete auf ihnen, behördliche Schritte aber mussten auch nach der Scheidung vom Vater abgezeichnet werden. Es war demütigend und wurde zu Recht verändert.

20 Jahre sind seither vergangen. Die Gesellschaft wandelte sich. Frauen arbeiten mehrheitlich. Männer kümmern sich mehr und mehr um die Kinder. Viele Frauen verwechseln die damalige rechtliche Situation aber nach wie vor mit der heutigen und lehnen aus diesem Grund die rechtliche Annäherung beider Elternteile in Bezug auf das Kind, welche mit der gemeinsamen Obsorgemöglichkeit geschaffen wurde, völlig ab.

Die Obsorgeregelung zementierte über lange Jahre tradierte Rollenbilder. Die Mutter wurde von der Gesellschaft als der für die Versorgung des Kindes bedeutende Elternteil angesehen. Die Verantwortung blieb an ihr hängen. Die Väter für die Beziehung zum Kind nur sekundär wichtig erachtet, blieben aus ihrer Verantwortung entlassen (durften aber bis 1989 das Leben der Mütter nach der Scheidung mit ihren Unterschriften schwer machen).

Das Kindschaftsrechtsänderungsgesetz 2001 brachte durch die Obsorge beider Elternteile eine positive Veränderung, blieb jedoch auf halben Wege stehen. Das Gesetz verankerte in der Bevölkerung das Bewußtsein, dass beide Elternteile im Leben des Kindes eine wichtige Rolle spielen sollten. Die Aufrechterhaltung der elterlichen Obsorgerechte nach der Scheidung symbolisierte das. Die Gesetzesänderung hatte bei denen, die sich für die Obsorge beider Elternteile entschieden, einen positiven Einfluss. Es gab einen geringeren Anteil an Kontaktabbrüchen; teilweise ein größeres Engagement der Väter gegenüber den Kindern, als noch bei aufrechter Ehe; häufigere Kontakte zwischen den Kindern und dem getrennt lebenden Elternteil und weniger Konflikte zwischen den Eltern.

Das Gesetz hat jedoch mehrere Schwachstellen.

  • Die Obsorge beider Elternteile muss für unehelich geborene Kinder erst beantragt werden.
  • Die Obsorge beider Elternteile bedarf der Zustimmung von Vater und Mutter. Ist ein Elternteil dagegen und das vielleicht auch nur aus dem Gefühl des Gekränktseins, der Eifersucht oder andere willkürlicher Gründe, bleibt dem anderen Elternteil die rechtliche Vertretung versagt.
  • Unabhängig davon, ob alleinige Obsorge oder Obsorge beider Elternteile vereinbart wird, muss nach derzeitiger Gesetzeslage ein Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind übernehmen, während der andere auf den Part des Besuchselternteiles reduziert wird.
  • Wurde die Obsorge beider Elternteile vorerst vereinbart, muss sie aufgehoben werden, wenn sich ein Elternteil ohne Angaben von Gründen dagegen ausspricht.

Machtgefälle

Trennungen verursachen bei Eltern und Kindern Schmerzen. Schmerzen wollen gelindert und öfter auch gerächt werden. Wie kann man sich besser und einfacher rächen als dort anzusetzen wo es am meisten wehtut, beim emotional sensibelsten Teil, der Liebe zum Kind. Machtgefälle macht dies möglich. Dort wo ein Elternteil als der wichtigste auserkoren und diesem primär Entscheidungskompetenz zugewiesen wird, wird Macht gebündelt. Macht ist verführerisch und verleitet zu Missbrauch. Ist dies der Fall kommt es zu Demütigungen, Ohnmachtsgefühlen, Wut und Aggression. Eine Gefühlsmischung die entweder zu andauernden Kämpfen, oder zur Resignation und oft zum totalen Rückzug eines Elternteils führt. Wie Kinder dabei unter die Räder kommen erleben wir in unserem privaten Umfeld und in den Jugendämtern nur allzu oft. Permanente Konflikte zwischen den Eltern und der Verlust eines Elternteils sind erwiesenermaßen die größten Gefährdungsmomente für Kinder nach der Trennung ihrer Eltern.

Die derzeitige gesetzliche Obsorgeregelung ist Basis für dieses Machtgefälle mit den beschriebenen Folgewirkungen. Einem Elternteil wird de facto (nicht de jure) das alleinige Recht übertragen, darüber zu entscheiden ob, wie lange, wie oft, mit wem, in welchen Zeitabständen und wie Besuchskontakte auszusehen haben. Hält sich der Besuchselternteil nicht an dieses Diktat, wird oft mit der Einschränkung oder dem völligen Abbruch der Besuchskontakte gedroht. Schon kleinste Abweichungen von der Meinung des Obsorgeberechtigten können dazu führen. Das Gefühl entmündigt zu sein und permanente Anspannung sind die Folgen.

Die Väterinitiativen sind voll von solchen Geschichten. Komischerweise werden sie nur marginal wahrgenommen oder stehen jahrzehntelang unter dem Schatten ihrer eigenen „Geburtswehen“ als sie aus der eigenen Betroffenheit heraus noch emotionaler, mitunter aggressiv und frauenfeindlich, agierten.

Die Behörden (Jugendamt und Gericht) zeigen sich dementsprechend in schwierigen Fällen oft hilflos, bzw. entmündigen sich bereits während des Verfahrens, indem Aussagen getroffen werden, wie „Wenn ich einen Beschluss fasse, dem sie nicht zustimmen können, ist er das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben steht“.

Sieht die österreichische Gesetzgebung noch Strafen für Eltern, die Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil verhindern, vor, schaut es in der Praxis größtenteils anders aus. Gericht und Jugendamt erheben Freiwilligkeit zur Maxime. Strafen werden als kontraproduktiv betrachtet und deshalb so gut wie nie ausgesprochen. Der Willkür wird Tür und Tor geöffnet. Kinder sehen einen Elternteil (meist den Vater) in mehr als 50% der Fälle überhaupt nicht mehr. Ein neues Krankheitsbild PAS etabliert sich zusehends. Trotzdem wird an der Haltung nicht gerüttelt.

H. Figdor, führender Erziehungswissenschafter Österreichs, zu diesem Thema in seinem Buch „Scheidungskinder – Wege der Hilfe“: „Interventionen, die darauf hinauslaufen, eine bestehende Beziehung zu sichern oder eine unterbrochene Beziehung (etwa zum Vater) wieder herzustellen, dienen den Entwicklungsinteressen der Kinder auch dann, wenn sich die sorgeberechtigte Mutter oder das Kind selbst gegen diese Beziehung wendet.“

Eine provokante These. 90 % der Kinder leben nach der Trennung bei Müttern. 90 % der Sachverständigen in der Jugendwohlfahrt sind Frauen. Ist es sehr gewagt einen Zusammenhang darin zu erkennen, dass sich auf dieser Ebene keine Veränderung abzeichnet?

Zur Klarstellung. Viele Probleme entstehen, weil Väter ihre Verantwortung nicht wahrnehmen. Vielen Müttern ist es ein großes Anliegen, den Vätern mehr in die Betreuungsverantwortung zu nehmen, weil sie unmittelbar erleben, wie ihrem Kind der Vater fehlt. Viele Väter lassen sich trotz Engagement der Mütter nicht blicken.

Gesellschaftspolitische Bewegungen

In diesem Beitrag geht es aber um die größer werdende Anzahl von Vätern, die sich der Kinder während aufrechter Beziehung angenommen haben und es auch nach der Trennung tun wollen. Noch eine Minderheit, aber Väter die sich der gesellschaftspolitischen Forderung, primär getragen von Frauen, stellt. Väter die Verantwortung in der Familie, den Kindern gegenüber übernehmen. Väter die der Forderung nach halbe/halbe nachkommen, die aber kaum geschieden in einen völligen rechtlosen Zustand geraten. Einem rechtlosen Zustand, der es Ihnen oft schwierig macht Ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind gerecht zu werden. 50 % der Kinder wächst bei getrennt lebenden Eltern auf.

Besonders linksorientierte Bewegungen, machen sich stark für die Gleichstellung von Frauen und Männern, für Chancengleichheit im Beruf, für halbe/halbe Aufteilung von Belastungen im Haushalt. Das Absurde ist, dass sie für den Fall einer Trennung diese Grundsätze nicht mehr vertreten. Ignoriert werden völlig die einheitlich positiven Studienergebnisse hinsichtlich Obsorge beider Eltern, die es dazu im Ausland und in Österreich gibt. Ignoriert werden positive Studienergebnisse zum Thema Doppelresidenz. Ignoriert werden außerdem Erfahrungen anderer Länder. Ein Blick über die Grenze tut gut. Österreichische Kinder sind nicht anders als z.B. belgische, französische, schwedische, deutsche, italienische u.a.m. Kinder. Staaten die sich schon vor längerer Zeit für die gemeinsame Obsorge entschieden und positive Erfahrungen machten. Einige haben sich bereits für den nächsten Schritt entschieden. In Frankreich ist das Doppelresidenzmodell von der sozialdemokratischen Präsidentschaftskandidatin Ségoléne Royal 2002 eingeführt worden. Belgien hat 2006 die Doppelresidenz überhaupt zum prioritären Modell gemacht. Auch das familienpolitisch konservative Italien hat der Doppelresidenz einen Platz eingeräumt. Ziel war es, dass alle getrennt lebenden Kinder möglichst gleich viel Zeit mit beiden Eltern verbringen können.

Was wäre wenn…..

Konfrontiert man Mütter in Österreich mit der Obsorgefrage und mit der hypothetischen Frage, wie es Ihnen gehen würde, wenn der hauptsächliche Aufenthalt bzw. die alleinige Obsorge für ihre Kinder nach der Trennung beim Vater wäre und sie ihr Kind nur noch alle 14 Tage sehen könnten, reagieren sie relativ einheitlich so „Das würde ich nicht aushalten. Ich tu mir schon schwer mich vom Kind zu verabschieden, wenn es alle 14 Tage ins Wochenende zum Vater geht“. Noch drastischer formulierten es manche so „Da würd ich durchdrehen.“

Väter denen ihr Kind seit der Geburt Zeit wert war, erleben es nicht anders.

Wäre es grundsätzlich die beste Lösung für die Kinder, nach der Trennung bei nur einem Elternteil aufzuwachsen, dann wäre dieses Opfer von einem Elternteil zu verlangen gut und gerecht. Erfahrungen von Eltern, die ihren Kindern gleichen Kontakt zu beiden Elternteilen ermöglichten sprechen jedoch klar dagegen. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen ebenfalls.

Für Kinder stellt die Möglichkeit in Doppelresidenz zu leben das beste Lebensmodell nach der Trennung der Eltern dar. Selbstverständlich darf es nicht blind auf alle Familien umgesetzt werden. Wichtigste Ausschließungsfaktoren sind, dass es nicht einen gibt der diese Verantwortung gar nicht übernehmen möchte und eine drohende Gefährdung des Kindes.

Der Vorwurf, dass das Kind in zwei Wohnungen zerrissen wird – weil, wer möchte schon als Erwachsener in zwei Wohnungen aufwachsen, so die übliche Gegenfrage auf das Doppelresidenzmodell – löst sich spätestens dann auf, wenn man sich die Erfahrungen der Eltern mit ihren Kindern anschaut.

Derzeit erleben viele Kinder unterschiedliche Betreuungssituationen. Unter der Woche oft ganztags im Kindergarten, oder Vormittags in der Schule und Nachmittags im Hort. Am Abend und am Wochenende bei der Mutter oft auch den Großeltern, wie die Berufstätigkeit es so erfordert. Hin und wieder werden auch Freunde zur Betreuung eingespannt. Viele Bezugspersonen also. Die Kinder kommen gut zurecht damit. Trotzdem stößt der Gedanke, dass das Kind zwei Hauptwohnsitze hat auf Unverständnis und reflexartige Ablehnung. Zu Hause ist für das Kind primär dort, wo es mit Menschen ist denen es vertraut, die es liebt, wo es sich geborgen fühlt. Die tatsächlichen Räumlichkeiten machen in der Praxis in der Regel das geringste Problem.

Grundsätzlich gilt. Keine Lösung ist für alle richtig. Die Frage, die man sich jedoch stellen muss, ist: Was tut man um Konflikte zu vermeiden bzw. Voraussetzungen zu schaffen die dem Kind zugute kommen. Das derzeitige Modell der Obsorge, mit unbedingter Zustimmung beider Elternteile, schafft nicht das Ziel welches angepeilt wurde, nämlich klare Verhältnisse zum Wohle des Kindes.

Es gibt Möglichkeiten diese Situation zu verändern.

  1. Die gemeinsame Obsorge für beide Elternteile ab Geburt, ungeachtet ob verheiratet oder nicht. Die Aufhebung derselben nur bei Gefährdung des Kindes.
    Ziel: Augenhöhe zwischen den Elternteilen herzustellen und das Selbstverständnis verstärken, dass das Kind zwei Elternteile und nicht nur einen hat.
  2. Einführung der Doppelresidenz mit Prioritätsanspruch.
    Ziel: Dem Kind, trotz Trennung, die Möglichkeit zu geben, beide Elternteile erleben zu dürfen. Und den Eltern, trotz Trennung, die Möglichkeit zu geben, das Kind im Alltag erleben zu dürfen.
  3. Beratungspflicht bei Sorgerechtsstreitigkeiten. (Beratung/Therapie im Rahmen bedingter Freiwilligkeit passiert täglich und funktioniert – im Jugendamt; bei straffälligen Männern; bei Kindern)
  4. Kontaktbehinderung zum getrennt lebenden Elternteil soll mit einem Obsorgewechsel entgegengewirkt werden können.

Neue Gesetze lösen Diskussionen aus. Gesellschaftlich etablierte Normen werden in Frage gestellt und sollen letztlich neue anerkannte Leitbildern entstehen lassen. Gesetze sollen bewußtseinsstiftend sein. So geschehen zum Beispiel beim KindRÄG, in welchem 2001 die Obsorge beider Eltern (ObE) verankert wurde. Das Konfliktverhalten der Eltern, die sich für die ObE entschieden haben, verbesserte sich. Das Engagement der Väter gegenüber den Kindern nahm zu. Besuchskontaktabbrüche nahmen ab. Die Zahlungsmoral verbesserte sich ebenfalls. (siehe Studie von Barth-Richtarz, Figdor / eigene als Sozialarbeiter im Jugendamt gemachte Erfahrungen bestätigen diese Ergebnisse).

In Deutschland gestaltete man das Gesetz 1998 verbindlicher. Ein Ausstieg aus der gemeinsamen Obsorge muss dort schon begründet werden, mit dem Ergebnis, das die Abbrüche von Besuchskontakten drastisch reduziert wurden. (Studie von Proksch 2002 zitiert in „Väter im Abseits“ Seite 93 von Miriam Irene Tazi-Preve)

Noch klarer positionierten sich die Schweden. Be- bzw. verhindert dort ein Elternteil grundlos die Kontakte des Kindes zum anderen Elternteil, wird dem Gericht nahegelegt die Obsorgerechte auf den anderen Elternteil zu übertragen. Ergebnis: Abbrüche von Besuchskontakten nahmen radikal ab.

Gesetze führen zu Haltungsänderungen. Hier zum Wohle des Kindes.

Abschließen möchte ich dieses Kapitel mit einem Zitat aus dem bereits erwähnten Buch von Figdor: „Ein großer Teil jener Bedingungen, die eine gute Bewältigung der Scheidung durch die Kinder heute erschweren bzw. die dafür verantwortlich sind, dass so viele Kinder heutzutage durch die Scheidung ihrer Eltern traumatisiert werden, gehen auf ein Versagen der gegenwärtigen Gesellschaftspolitik in vielen Ländern zurück. Von allen Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um das gegenwärtige Elend der meisten Scheidungskinder zu lindern und neue Entwicklungschancen zu eröffnen, ist die Verabschiedung eines neuen Gesetzes zweifellos die billigste.“ (Seite 236)

Vorteile der Doppelresidenz:

Für die Kinder:
  • Kinder können zu beiden Elternteilen einen intensiven Kontakt halten und verlieren weder Vater noch Mutter aus ihrem alltäglichen Leben.
  • Die Loyalitätskonflikte des Kindes verringern sich, da es sich nicht für oder gegen einen Elternteil entscheiden muss.
  • Die Verlustgefühle, die die Kinder bei einer Trennung erleben, können so reduziert werden. Vater und Mutter bleiben Teil des Alltags.
  • Das Kind erlebt nicht einen Elternteil primär für den Alltag und den Besuchselternteil nur für Freizeit und Abenteuer zuständig, sondern wird von jedem positiv beeinflusst.
  • Dem höheren Risiko, welchem Kinder von Alleinerziehenden Elternteilen ausgesetzt sind ein dissoziales Verhaltensmuster zu entwickeln mit Nachteilen in der Schullaufbahn und einem geringeren Selbstwertgefühl wird entgegengewirkt.
  • Kinder, welche in einem Doppelresidenzmodell sozialisiert werden, sind laut Studie psychisch stabiler, ausgeglichener und mit einem größeren Selbstwertgefühl.
Für die Eltern:
  • Weil Mütter und Väter ihre Kinder lieben und sie nicht verlieren wollen.
  • Weil beide Elternteile durch den Alltagsbezug ihre Erziehungsverantwortung gleichermaßen wahrnehmen können.
  • Weil eine intensive Beziehung zu einem Kind, wie jede andere Beziehung nur dann stark sein kann, wenn sie häufig und mit genügend Zeit verbracht werden kann.
  • Weil es durch die DR zu einem Machtgleichgewicht kommt, welches Konflikte verhindert und Diskussionen, mit dem Ziel, das Beste fürs Kind zu erreichen, ermöglicht.
  • Weil kein Elternteil aufgrund der Willkür des anderen den Kontakt zum Kind verlieren kann.
  • Weil es den Eltern ermöglicht die Entwicklung ihres Kindes gleichermaßen miterleben zu können.
  • Weil Väter und Mütter nach der Trennung Zeit haben um sich auf neue Partnerschaften einlassen zu können oder einfach nur Zeit für sich haben und sie sich sicher sein können, dass ihr Kind inzwischen in guten Händen ist.
  • Weil der Wiedereinstieg ins Berufsleben und der berufliche Werdegang erleichtert wird.
  • Pflegeurlaube, Urlaube in Ferienzeiten und das tägliche Abholen von der Tagesbetreuung können aufgeteilt werden und entlasten.
  • Weil es erwiesenermaßen zu weniger Konflikten zwischen den Eltern kommt.
  • Weil die Doppelresidenz erwiesenermaßen die beste Lebensform nach der Trennung der Eltern ist.

Pototschnig Anton
Dipl. Sozialarbeiter

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Familie D

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13. April 2008 Newsletter abonnieren

Meine Geschichte

Mein Name ist Norbert Cuba. Ich bin Goldschmied und Designer und 39 Jahre alt. Ich habe eine Tochter. Ihr Name ist Xenia Beatrice Cuba. Ich liebe meine Tochter, wie man als Vater sein Kind nur lieben kann.

Als meine Exfrau und ich uns vor 12 Jahren scheiden ließen, gab es das Sorgerecht für beide Elternteile in Österreich noch nicht. Die Aussage vom Richter war aber eindeutig:
1. Er würde ein doppeltes Sorgerecht nie befürworten und
2. Alle Punkte, worüber man sich nicht einig wird, kommen zu Gericht und werden von dort aus entschieden.
3. Wir haben ja auch ganz alleine zusammengefunden, also wäre das Auseinanderfinden auch im Alleingang die beste Variante.
Die Aussage hat schon was! Ich muss sagen, es hat mich wirklich nachhaltig inspiriert.

Für mich warfen sich folgende Fragen auf:
Mit welchem Recht nehme ich meiner Tochter ihre leibhaftige Mutter????
Oder, was muss passieren, dass ich so etwas tue?
Im Leben meiner Tochter zu ihrer Mutter hat sich ja nichts verändert.
In diesem Moment war mir klar, dass meine Exfrau plötzlich im „Leo“ stand, denn die Eltern werden immer die Eltern bleiben.
Also anders ausgedrückt, alles was ich Böses zu meiner Exfrau hinüberwerfe, bekomme ich postwendend über meine Tochter zurück.

Für mich hat Auseinandergehen sehr viel mit Vergebung, Loslassen und einen ordentlichen Patzen an Geduld zu tun. Das meine Exfrau und ich uns beide um unser Kind kümmern wollen stand immer außer Frage. In noch intakter Beziehung hatte jeder seine Fixtage für Familie und Freizeit. Das wollten wir beibehalten, mit der Möglichkeit eines Neuanfangs. Die Vorteile dieser Regelung waren enorm.

Jeder von uns hatte Zeit für das Kind, für sich selbst und für die Arbeit. Es gab keine Notwendigkeit den anderen um Geld zu bitten. Warum auch, denn jeder sorgt für das Kind zu gleichen teilen.

Hinsichtlich der Aufteilung einigten wir uns für eine sehr dynamische Version.
Montag, Mittwoch fix bei Papa
Dienstag, Donnerstag fix bei Mama
Freitag, Samstag, Sonntag abwechselnd.
Immer bezugnehmend darauf, wie sich meine Tochter dabei fühlt. Mit Problemen hatten wir immer zu kämpfen, aber das hat man auch vor der Scheidung oder??!!

Hinsichtlich der Handhabung mit dem Gewand, sind wir auf folgende Lösung gekommen:
Keiner wäscht für den anderen. Wenn meine Tochter zu mir kommt und sich am Abend auszieht, werden alle ihre Sachen in ein Sackerl gegeben. Und genauso hält sich meine Exfrau daran. Beim nächsten Treffen tauschen wir die Sackerl aus und fertig.

Wir wollten uns aber nicht treffen. Nun, wir hatten damals den Vorteil, dass ich beim Ausziehen die Nachbarwohnung bekommen hatte. Ich montierte eine recht große Kiste an meiner Eingangstüre und gab meiner Exfrau einen Schlüssel dazu. Also, wenn ich am nächsten Morgen fort ging, habe ich ihre Sachen in den Kasten gesperrt und umgekehrt. Und siehe da, es hat wirklich funktioniert.

Ort der Übergabe des Kindes war zuerst der Kindergarten und später die Schule. Auch hier keine Berührung mit dem Expartner, denn der Eine brachte sie hin und der Andere holte sie ab.

Entstehende Fixkosten wie Schul-, Hortgeld etc. werden geteilt und einmal im Monat abgerechnet. Die Kinderbeihilfe wird ebenfalls aufgeteilt.

Ich weiß, da werden jetzt viele große Augen machen was alles geht, aber lasst euch nicht dazu hinreißen dem Ex eines auszuwischen, denn es wird euch mehr kosten als euch lieb ist, in emotionaler, aber auch in finanzieller Hinsicht .

Mein Wunsch wäre es, dass die Frage danach, wer die Obsorge bekommen soll ganz verschwindet. Denn die Eltern werden immer die Eltern bleiben.

Norbert

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Familie A

Familie A

13. April 2008 Newsletter abonnieren

Wie wars vor der Trennung?

  • Wer hat die Kinder wieviel betreut?

Da ich in Karenz war, habe ich die Kinder überwiegend betreut. Ihr Vater war aber sehr wohl präsent, da er als Volksschullehrer arbeitet und schon am frühen Nachmittag zu Hause war und sich dann um die Kinder gekümmert hat.

  • Wer war in Karenz?

Ich

  • Wie kam es zur Entscheidung – Doppelresidenz?

Mein Exmann wollte für seine Kinder da sein und sich gleichberechtigt um sie kümmern, außerdem hatten wir Freunde, die es auch so gelebt haben und bei denen es gut funktioniert. Eine Motivation für meinen Exmann war sicher auch, dass er keine Alimente zahlen wollte.

  • Wie alt waren die Kinder?

Mein Exmann ist ausgezogen wie meine Kinder 2, 3,5 und 7 Jahre alt waren.

  • Was hatte „das Gericht“ (ev. Jugendamt) für eine Haltung dazu?

Anfänglich war der Richter dagegen und wollte unseren Vergleich nicht unterschreiben, wir konnten ihn aber im Gespräch davon überzeugen, dass wir bereits ein Jahr so leben und dass es gut funktioniert. Es wurden zwar Alimente festgesetzt, da es vom Gesetz nicht vorgesehen ist, dass die Kinder genau 50:50 bei ihren Eltern leben. Die Kinder sind bei mir gemeldet und am Papier 16 Tage des Monats bei mir, 14 Tage bei ihrem Vater. Daraus ergibt sich, dass mein Exmann für die Kinder Alimente zahlen muss. Es fließen aber keine Zahlungen zwischen uns, weil die Kinder in der Realität die Hälfte der Zeit bei mir, die Hälfte bei ihrem Vater leben.

  • Wie schaut das konkrete DR – Modell aus?

Die Kinder sind immer Montag und Dienstag bei ihrem Vater, Mittwoch bis Freitagnachmittag bei mir und die Wochenenden immer abwechselnd bei ihm oder mir. Ferien werden extra ausgemacht.

  • Gab es Änderungen seit der Trennung?

Nein

  • Konkreteres zu Entfernung der Eltern zueinander, Schulbesuch, Kleider- undSpielsachen Transport u.a.m zum gelebten Alltag?

Wir leben im selben Ort, ca. 10 Gehminuten voneinander entfernt. Wir haben ein gemeinsames Auto, das immer derjenige hat, bei dem die Kinder sind. Die Kinder haben in beiden Haushalten ihre Spielsachen, manche Sachen werden hin und her geführt, da sie nur einmal vorhanden sind (Sportausrüstung, Gameboy, etc.). Die Kleidung wird nicht getrennt „verwaltet“. Ich beziehe die Kinderbeihilfe und kaufe alles für die Kinder (Kleidung, Schulsachen,etc.) und bestreite alle Ausgaben für das Auto. Lediglich größere Ausgaben werden geteilt (Zahnspange, Schullandwoche, etc). Der Schulbesuch ist von beiden Haushalten aus unkompliziert, da der Schulbus von beiden Häusern erreichbar ist. Kindergeburtstage werden einmal bei mir, einmal bei ihm unter Beteiligung beider Elternteile gefeiert.

  • Wie ist die Haltung der Kinder dazu und wie gehen sie damit um?

Die Kinder sind sicher froh, dass sie beide Elternteile gleich viel sehen, sind aber manchmal verwirrt und fragen, wann sie bei wem sind.

Was sind die Probleme mit der Doppelresidenz?

  • Fürs Kind bzw. die Kinder?

Der Wechsel zwischen den Eltern ist für meine beiden jüngeren Kinder sicher manchmal schmerzlich und es ist mir bewusst, dass v.a. mein jüngerer Sohn (6) unter den vielen „kleinen Trennungen“ (manchmal zweimal/Woche) sehr leidet. Alle drei Kinder sagen, dass sie den Elternteil, bei dem sie gerade nicht sind, sehr vermissen. Die ersten paar Stunden nach dem Wechsel sind meine jüngeren Kinder immer ziemlich überdreht und ich hab das Gefühl, dass sie es mir übel nehmen, dass wir uns nicht täglich sehen.

  • Für die Erwachsenen?

Organisatorisch manchmal recht aufwändig. Ohne die Unterstützung der Großeltern beider Seiten wäre es nicht machbar, so zu leben. Die Planung der Wochenenden ist ziemlich kompliziert, da beide Elternteile neue Partner haben, mit denen sie nicht zusammen leben und es oft schwierig ist, eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Erwähnen möchte ich außerdem, dass es oft schwierig ist, die Ansichten/Lebensweise des Vaters meiner Kinder zu akzeptieren, v.a. wenn Dinge passieren, die ich nicht für gut für unsere Kinder halte. Ich nehme an, dass es ihm umgekehrt genauso geht. Außerdem ist meine finanzielle Lage nicht besonders gut. Mein Exmann und ich haben zwei komplette Haushalte und für die Kinder wurde fast alles doppelt angeschafft, wodurch ich gezwungen bin, einem Nebenjob nachzugehen.

Warum sind wir als Eltern überzeugt, dass wir für die Kinder das beste Modell gefunden haben. Worin sehe ich den Vorteil in der Doppelresidenz des Kindes/der Kinder

  • Fürs Kind?

Die Kinder haben kontinuierlich engen Kontakt zu beiden Elternteilen und wissen, dass das den Eltern sehr wichtig ist. Der Vater kommt nicht abhanden (wie in so vielen Fällen). Die Kinder können ihn/mich jederzeit anrufen und es ist auch kein Problem, Sachen, die sie bei ihrem Vater/bei mir vergessen haben, zu holen.

  • Für die Erwachsenen?

Beide Elternteile sind in gleicher Weise für die Kinder verantwortlich und erleben den Alltag mit ihnen. Keine Degradierung zum „Wochenendpapa“. Auch für die „unangenehmen“ Agenden wie Arztbesuche, Schulaufgaben, etc. fühlen sich beide Elternteile verantwortlich. Durch das Modell der Doppelresidenz habe ich überdurchschnittlich viel Freizeit, verglichen mit anderen Müttern, was es mir ermöglicht, auch noch ein Leben abseits von 2 Jobs und Kindern zu haben. Diese Zeit, die ich nach meinen Bedürfnissen verbringen kann, ist notwendig, um wieder Energie zu tanken, die ich im Zusammenleben mit meinen Kindern brauche.

Würde ich beim nächsten Mal was anders machen?

Davon ausgehend, dass Trennungen für Kinder sehr schmerzhaft sind, halte ich das Modell der Doppelresidenz mit den Möglichkeiten und Ressourcen, die mir und dem Vater meiner Kinder zur Verfügung stehen, sowie mit unserer Einstellung, dass wir gleichberechtigt die Verantwortung für unsere Kinder übernehmen wollen, für die beste Lösung nach unserer Trennung.

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Familie C

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13. April 2008 Newsletter abonnieren

Meine Geschichte 
aus der Sicht einer Mutter erzählt. (auf Wunsch der handelnden Personen ist der Bericht anonymisiert .)

Ich habe zwei Töchter 21 und 11 Jahre alt und ich möchte mit der Geschichte der älteren beginnen, die mittlerweile schon ausgezogen ist.

 Ich war damals 18 Jahre alt als ich im Sommer vor der Matura schwanger wurde. Für meinen Lebensabschnittspartner Nr. 1 (LAP1) und mich war damals ganz klar (erste große Liebe) das Kind zu bekommen und genauso klar war es für uns, dass alte Rollenklischees von wegen „Frau ist für das Kind zuständig und Papa verdient das Geld“, nicht auf uns zutreffen. Von Anfang an waren wir beide für die Tochter 1 zuständig und von Anfang an hatte die diese zwei gleichwertige, und gleich wichtige Elternteile.

Unsere Paarbeziehung ist ein Jahr nach ihrer Geburt in die Brüche gegangen und wir suchten einen Weg, der diese Gleichwertigkeit weiterhin gewährleistete. Es war uns klar, dass dies bedeutet, dass das Kind ungefähr gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringt, in beiden Elternwohnungen ein eigenes Zimmer hat und sowohl Freizeit als auch Alltag mit beiden Eltern teilt.

Für mich als Frau und Mutter einer Tochter war es ganz besonders wichtig darauf zu achten, dass mein Mädchen die Beziehung zu LAP1 weiterhin gut leben konnte. Es erfüllte mich mit „Mutterglück“ zu sehen wie stolz und voll Liebe er ihr gegenüber auftrat, vor allem weil ich selbst ganz ohne Papa aufgewachsen bin und wusste, dass es etwas zu Entbehrendes ist, wenn man niemandes „Prinzessin“ ist.

Da wir auch nach der Trennung noch einen freundschaftlichen Kontakt hatten, konnten wir uns immer sehr leicht über die Aufteilung einigen. In der Kindergartenzeit war sie von Montag bis Freitag Früh bei mir, von Freitag Nachmittag bis Sonntag Abend bei LAP 1.

In der Volksschule wechselten wir auf eine halbe Woche bei mir, eine halbe Woche bei ihm und die Wochenenden abwechselnd und ab dem ersten Gymnasium gingen wir zu einem wöchentlichen Wechsel über. Als unsere Tochter mit 15 Jahren auf die Höhere Grafische Lehranstalt ging und sehr viel Zeug zum Siedeln hatte (Zeichenbrett, Zeichenmappe, Computer,…) änderten wir das Modell auf ihren Wunsch hin, auf einen vierzehntägigen Wechsel. Wir konnten den Wechsel immer nach den jeweiligen Bedürfnissen von uns dreien organisieren. Als ich z. B. kurz vor der Beendigung meines Studiums war, bat ich LAP 1 sie für zwei Monate zu sich zu nehmen, um meine Abschlussarbeit zügig zu Ende bringen zu können.

Ich habe mich nie als Alleinerzieherin gefühlt, da LAP1 immer genauso viel an Nähe und Beziehung zu unserer Tochter hatte wie ich. Ich musste auch Entscheidungen wie die Wahl der Schule, oder irgendwelche Erziehungsprobleme nie alleine lösen. Wir tauschten uns immer aus und trafen die Entscheidungen gemeinsam. Das war für mich sehr entlastend.

Manchmal kam es zu Situationen in denen ich den Eindruck hatte, dass mich meine Freundinnen, die in einer funktionierenden Beziehung ihre Kinder groß zogen, beneideten, weil ich immer schon über viel mehr eigene Zeit verfügte als diese.

Unsere Tochter konnte so mit zwei Menschen an ihrer Seite aufwachsen, die ihr 100%ig zur Seite standen. Dies war mir auch deshalb so wichtig, weil ich nach der Trennung wechselnde Beziehungen hatte. Für Johanna blieben aber ihr Papa und ich ganz klar die Hauptbezugspersonen in ihrem Leben und sie hatte dadurch große Stabilität. Dies bestätigten auch die Rückmeldungen von Seiten der Menschen und Lehrerinnen, die mit unserer Tochter zu tun hatten, vom Kindergarten bis zum Gymnasium.

Im Nachhinein betrachtet, konnte ich auch in den Zeiten, in denen meine Tochter nicht bei mir war, sehr gut das „Loslassen“ üben. Und trotzdem war es ein kleineres Erdbeben in meinem Leben, als sie nach der Matura ein halbes Jahr nach Südafrika gegangen ist und unmittelbar nach ihrer Rückkehr ausgezogen ist. Aber es hat mir geholfen, die Freiräume, die entstehen, wenn Kinder erwachsen werden, zu erkennen und für mich gut zu nutzen und wieder mit Eigenem zu füllen.

Mit 28 Jahren bekam ich dann mit meinem LAP 2 meine zweite Tochter. Aus der Erfahrung, dass eine klare Aufteilung und Einteilung mehr Freiraum für beide Elternteile bringt, legten wir bald einmal „meine Tage“ und „seine Tage“ an denen wir für unser kleines Töchterchen zuständig waren, fest. Natürlich gab es auch gemeinsame Tage.

Nach drei Jahren war unsere Beziehung in einer großen Krise und LAP 2 zog in eine eigene Wohnung. Durch den getrennten Alltag verschwanden viele Alltagsprobleme aus unserer Beziehung und wir lebten unsere Beziehung mit Kind in zwei Wohnungen weiter. Man könnte also von einem Doppelresidenzmodell mit bestehender Beziehung reden. Das gerechte Teilen von Erziehungsverantwortung ist bei meiner  großen Tochter schon so gut gelaufen und so ist eine andere Lösung gar nie zur Diskussion gestanden.

Als Tochter 2 neun Jahre alt war trennten wir uns. Dadurch, dass sie schon seit sechs Jahren sowohl in der Wohnung vom Papa und bei mir gewohnt hat, war es für sie keine große Umstellung mehr. Das einzige was wegfiel waren die Streitereien.

Zur Zeit ist immer der Freitag Nachmittag der Tag an dem sie wechselt, die Person zu der sie siedelt holt sie ab. Sie hat das Packen mittlerweile recht gut im Griff und falls etwas vergessen wurde kann sie es ja unter der Woche holen, da sie ja beide Schlüssel hat.

Die finanzielle Regelung war bei beiden Töchtern folgendermaßen: Die Kinderbeihilfe bekomme ich, ansonsten werden keine Alimente gezahlt, da ja jeder gleich viel betreut, kocht und Miete zahlt. Die Ausgaben für das Kind – von Gewand, über Spiele bis zum Schulschikurs – werden auf einer Liste festgehalten und alle paar Monate abgerechnet. Jeder Elternteil zahlt die Hälfte und die angeschafften Dinge gehören dem Kind, d.h. dass auch das Kind bestimmen darf, ob das angeschaffte Zeug in die andere Wohnung mitkommt oder nicht.

Ich muss schon sagen, dass es Zeiten, in denen ich einfach viel weniger verdient habe, als die Väter meiner Töchter, gab und dadurch für mich das „halbe Paar Schuhe“ einfach teurer, bzw. schwerer zu leisten war als für sie. Mittlerweile hat sich diese Situation fast ausgeglichen.

Ein paar abschließende Gedanken aus feministischer Sicht:

Ich gehe davon aus, dass das Begleiten von Kindern und Jugendlichen ins Erwachsenenleben eine Tätigkeit ist, die von Frauen wie von Männern ausgefüllt und erfüllt werden kann und soll. Wenn innerhalb von bestehenden Beziehungen diese gerechte Aufteilung zum Wohle des Kindes, zum Wohle der Frauen und zum Wohle der Männer als heutzutage selbstverständlich angesehen wird, so ist es für mich nicht nachvollziehbar, warum das plötzlich nach einer Trennung anders sein sollte.

Gerade für Frauen ist es wichtig nicht nur in ihre Mutterrolle gedrängt zu werden. Frauen haben sehr wohl auch das Recht auf einen Job und auf Zeit für sich selbst. Diese können sie wesentlich leichter haben, wenn sie auch nach der Trennung den Vätern die halbe Verantwortung für die Kinder überlassen, vorausgesetzt, diese übernehmen sie auch.

Das automatische „die Kinder gehören zur Mutter“ ist zwar vielleicht zu Beginn ein Machtgewinn, stellt sich aber ganz bald als Fessel heraus, die es Frauen unmöglich macht aus ihrer gesellschaftlich benachteiligten Rolle herauszutreten. Frauen und Männer verstehen vielleicht unter „Verantwortung für Kinder übernehmen“ manchmal etwas anderes, aber das erleben dieser Vielfalt kann für die Kinder sehr förderlich sein und ihnen unterschiedliche Welten zeigen.

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Familie B

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13. April 2008 Newsletter abonnieren

Meine Geschichte

Unser Sohn ist am 23.2.1999 geboren. Mit der Mutter war ich seit 1991 liiert, 1997 heirateten wir.

Er war von beiden Seiten ein Wunschkind. Die ersten 1,5 Jahre war die Mutter in Karenz, wobei ich mit einer Halbtagsverpflichtung für die Stadt Wien arbeitete und so häufig auch unter der Woche gemeinsam für das Kind sorgen konnte, beziehungsweise wir uns gegenseitig entlasteten.

Im Zeitraum von 1,5 – 2 Jahren war ich in Karenz und meine Frau arbeitete ebenso halbtags. Danach deckten wir die Woche etwa im Rhythmus MO Vater, DI Mutter MI Vater, DO Mutter, FR gemeinsam ab, zusätzlich unterstützt durch beginnende Vormittagsbetreuung im öffentlichen Kindergarten.

Nach längerer Abwägung von beiden Seiten, auch nach einer Unterstützung durch eine Paartherapie, entschlossen wir uns beide im Herbst 2004 zur Trennung (das Kind war 5 Jahre alt). Etwa um Weihnachten erfolgte der Umzug der Mutter in eine neue Wohnung. Ab diesem Zeitpunkt entschieden wir uns, von dem zuvor etablierten Wochenrhythmus in der Kinderbetreuung etwas abzuweichen. Für die Mutter war eine Fortführung der Betreuung etwa im Verhältnis 50:50 nicht denkbar und so fügte ich mich dem Kompromiss, meinen Sohn von nun an jeden MO mit Übernachtung, sowie jeden MI mit abendlicher Übergabe und einem gemeinsamen Abendessen (auch für Austausch und Terminplanung zwischen den Eltern) bei der Mutter, zu übernehmen. Bezüglich der Wochenendregelung bekam jeder ein langes WE pro Monat (FR – SO) mit unserem Sohn, sowie den Rest flexibel geteilter Wochenenden (FR – SA, SA – SO).

Für die Regelung von Urlauben entschieden wir uns für je eine Weihnachtswoche, abwechselnd Oster- oder Semesterferien, sowie einen zweiwöchigen Urlaub für jeden im Sommer.

Etwa alle 1-2 Monate, vereinbarten wir nach Maßgabe aller beruflicher und privater Verpflichtungen, eine passende Regelung der kommenden Monate. Nach diesem Plan konnte ich meinen Sohn im Durchschnitt mindestens 2 – 5 Tage pro Woche sehen, was ich für sein damaliges Alter für sehr wichtig empfand. Auch die Mutter konnte sehen, dass all zu lange Pausen, etwa bei Urlauben (zirka 2 WO), für unseren Sohn eher belastend waren.

Kurz nach der Trennung meldeten wir unseren Sohn in einer Rainbow-Gruppe an, die er recht gern besuchte.

Die eigentliche Scheidung erfolgte erst ca. 1,5 Jahre später, da wir vorerst unsere gelebte Regelung ausprobieren wollten und erst nach der Erfahrung, dass sich diese Regelung bewährte, vor das Gericht treten wollten.

Im Scheidungsvergleich behielten wir die gemeinsame Obsorge, der Hauptwohnsitz war der Mutter zugeteilt worden, der Sohn war bei mir nebengemeldet. Ich verpflichtete mich zur Zahlung von Kindesunterhalt nach den offiziellen Einschätzungen für die Mindestkosten für ein Kind seines Alters.

Diese Regelung funktioniert im wesentlichen bis heute unverändert.

Wir wohnen beide im selben Bezirk, seine Volksschule liegt in etwa in der Mitte zwischen unseren Wohnsitzen.

Bei längeren Zeiten, die der Sohn bei mir verbringt, fungiert der gemeinsame Mittwoch Abend auch als Übergabetermin der notwendigen Utensilien (Wäsche, Game-Boy, Skizeug, etc. …).

Wichtig erscheint mir auch das gemeinsame Abstimmen beim Umgang mit Einschlaf-, Fernseh- und Schul- und Lernroutinen, sowie ein andauernder Dialog zwischen den Eltern über die jeweiligen Beobachtungen und Einschätzungen das Kind betreffend.

Ich denke, dass unser Kind aufgrund seiner Vorerfahrung des häufigen Wechsels des jeweiligen Elternteils bei der Betreuung an diese Kontinuität anschließen konnte.

Heute scheint er sich, als mittlerweile Neunjähriger, gut mit dem Konzept auszukennen und sich jeweils von den unterschiedlichen Umfeldern, das zu holen, was er an verschiedenen Qualitäten jeweils bekommen kann.

Eine gewisse Sehnsucht unseres Sohnes bleibt, dass eines Tages sowohl Mama und Papa in ein großes Haus einziehen werden und wir dort alle gemeinsam leben, auch nachdem wir beide mittlerweile neue Lebensgefährten haben und er diese und auch deren familiäres Umfeld (deren Kinder) kennengelernt hat.

Wesentlich erscheint mir, dass für unser Kind nie die Gefahr, oder die Angst eines Beziehungsabbruchs zu einem Elternteil bestanden hatte, da er sich auf einen verlässlichen, kontinuierlichen und engen Betreuungsrahmen verlassen konnte, an den wir uns als Eltern sehr genau (fast rigide) halten (z.B. Pünktlichkeit bei Übergaben).

Auch das Erleben von gemeinsam verbrachter Zeit (z.B. Weihnachtsfeier), oder das gemeinsame Auftreten etwa bei schulischen Veranstaltungen, aber auch das gegenseitige Helfen bei Schwierigkeiten dürfte ihn sehr stabilisieren.

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